General Motors hat in den USA ein Problem: Mangelhafte Zündschlösser führten offenbar zu Unfalltoten und zum Rückruf von mehreren Millionen Fahrzeugen. Das ist eine ernste Sache, und daher überrascht es nicht, dass Mary Barra, Chefin von General Motors, reflexartig mit einer führungstechnischen Universalwaffe reagierte: Sie erklärte den Vorgang zur Chefsache.
Dieses „Zur Chefsache erklären“ ist auch in Deutschland – und dort nicht nur nur bei Angela Merkel – beliebt: So hatte schon Ole von Beust die Elbphilharmonie zur Chefsache erklärt, genauso wie Klaus Wowereit den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg.
Aber nicht nur Politiker lieben diesen Ausspruch: So erklärte jüngst der Präsident der Universität des Saarlandes die Abwicklung einer ganzen Fakultät zu seiner persönlichen Chefsache, der Rektor der Uni Rostock sogar eine Kindertagesstätte.
Eine demotivierende Floskel
Warum aber ist es problematisch? Weil der Chef sowieso die Verantwortung für seine Mitarbeiter trägt. Angela Merkel hat Richtlinienkompetenz: Damit ist von Zuwanderung über IT bis zur Energiewende automatisch alles Chefsache und sie für Fehlentwicklungen verantwortlich – egal was und wie sie vorher entschieden hat.
Das Erklären zu Chefsache ist demotivierend: Es suggeriert eine Überlegenheit des Chefs, die an mittelalterlichen Feudalismus oder an den Film „Bruce Allmächtig“ erinnert: Ja, ich mache das jetzt zur Chefsache, weil meine Untergebenen nicht fähig sind, mit Problemen richtig umzugehen, geschweige denn ihre Entstehung zu verhindern.
Besser vorher auf zentrale Themen achten
Zur Chefsache erklären ist peinlich, weil für den Chef ungefährlich: Denn diese Erklärung signalisiert, dass er am Vorgang unschuldig ist, sich aber trotzdem darum kümmert. Als Chef sollte man daher nichts zur Chefsache erklären, sich stattdessen lieber im Vorfeld zentraler Themen annehmen.
Was aber hätte Mary Barra tun sollen: Die Floskel „Zur Chefsache erklären“ bringt überhaupt nichts und um eine Anhörung im Kongress ist sie mit dieser Methode auch nicht herumgekommen. Sie muss Transparenz herstellen, dafür sorgen, dass Zahlen offengelegt werden, und klären, wie ein derartiger Fehler überhaupt entstehen konnte.
Christian Scholz ist Professor für Organisation und Personalmanagement an der Universität des Saarlandes